Copyright Sven Gottfried
Lucifer
Jahrmillionen nachdem Gott sich seiner selbst gewahr worden ist, er seine eigene Erleuchtung erfahren hatte, erschuf er seinen Sohn Lucifer. Lucifer sollte ihm dabei helfen, eine materielle Welt zu erschaffen. Er lehrte ihm alles, was er dazu wissen musste.
Wie man Elemente entstehen lässt, Sonnen, Galaxien und organische Wesen, wie Pflanzen, Würmer, oder Antilopen. Und so vergingen göttliche Jahre der Unendlichkeit und Lucifer erschuf ein Universum nach dem nächsten, gefüllt mit den wundervollsten Galaxien, die man sich nur vorstellen kann und er wurde immer besser darin, organisches Leben entstehen zu lassen. Lucifer’s Manifestationskraft war außergewöhnlich. Gott war stolz auf seinen überaus talentierten Sohn, doch er sah auch, dass die Welten, die Lucifer erschuf, zwar schön anzusehen, aber ohne Liebe waren.
Eines Tages ging er hin, zu Lucifer, und sagte ihm, dass er ihm die Kunst des Liebens lehren möchte. Lucifer verstand nicht, wozu das gut sein soll? Schau dir die wunderschönen Universen an, die ich erschaffen habe, ist das nicht Liebesbeweis genug? Gott haderte, ihm zu antworten, denn in der Tat waren Lucifer’s Universen wahre Wunderwerke, aber es fehlte ihnen an – nun ja, Liebe. Erneut versuchte er Lucifer verstehen zu geben, was er mit Liebe meinte. Es ginge nicht um die Liebe zu ihm, zu Gott, seinem Vater, und schon gar nicht darum, dass es dieser Liebe irgendeines Beweises bedürfe. Es ginge einzig und allein um die Liebe zum Sein an sich. Die Wesenheiten, die Lucifer erschuf, hatten, wie sollte er es nennen? Er überlegte eine Weile. Keine Seele!
Seele, fragte Lucifer, was soll das schon wieder sein? Gott merkte, dass sein Sohn mit der Idee einer Seele nichts anfangen konnte und ließ ihn fortan in Ruhe. Es ist alles gut, wie du es machst, mein Sohn. Du kümmerst dich um alles Materielle und ich kümmere mich um die Seelen. Gott merkte schnell, dass er mit dem Erschaffen von Seelen nicht so recht voran kam. Es war kompliziert, sehr kompliziert. Es war, als würde er versuchen, eine Kopie seiner selbst zu erschaffen und immer, wenn er eine Seele fertig hatte und sie auf eine von Lucifer’s Planeten setzte, verbrannte sie alles, was lebte – zu stark war ihre Energie. Aber es waren Seelen, starke, sehr starke Seelen und er versammelte sie alle um sich, denn schlussendlich waren sie ja ein Teil von ihm, aus seinem Licht geboren. So saß Gott, und sitzt noch heute, mitten im Reich der Götter, umgeben von grell strahlenden, starken Götterseelen.
Wieder vergingen göttliche Jahrhunderte und Gott wurde immer perfekter im Erschaffen von Seelen. Und Lucifer wurde immer perfekter im Erschaffen von Universen. Mittlerweile waren die ältesten Seelen selber zu Göttern geworden und halfen ihm beim „Optimieren“ der anderen, der jüngeren Seelen. Immer noch hatten sie eine zu hohe Energie, verbrannten alles Leben auf den Planeten. Zum Frust Lucifer’s, der sich allergrößte Mühe gab, die schönsten Universen zu erschaffen, die man sich nur vorstellen kann. Gott erkannte, dass Lucifer nur eines liebte, seine eigenen Werke, aber mit Seelen konnte er nichts anfangen, noch dazu, wo sie ihm ständig seine äußerst kreativ gestalteten Geschöpfe verbrannten. Daher wandte er sich eines Tages an seinen Vater, an Gott. Ob er nicht aufhören können, die „Seelenexperimente“ auf seinen Planeten durchzuführen. Er sei es Leid, ständig von vorne anfangen zu müssen und es sei auch nicht sehr respektvoll ihm gegenüber.
Michael
Gott war einverstanden. Lucifer hatte seinen vollen Respekt und das Problem der Liebe und der Seelen als Verkörperung der Liebe müsse er ohne ihn lösen. Eines Tages kam eine sehr alte Seele zu Gott. Sie hörte von den Problemen mit Lucifer und den jungen Seelen und er machte einen Vorschlag.
Schau, geliebter Vater. Ich bin deine älteste Seele, so gesehen dein zweitältester Sohn, denn vor mir gab es nur deinen Erstgeborenen, Lucifer. „Vertraust du mir?“, fragte er seinen Vater. Gott versicherte ihm sein vollstes Vertrauen. Aber wozu sei das nötig, fragte er seinen Seelenältesten. Ich weiss die Lösung des Seelenproblems. Du willst die Universen Lucifer’s mit Liebe erfüllen? Ich habe die Lösung und ich möchte dir zeigen, wie es geht. Aber das geht nur, wenn du mir voll vertraust. Wie sollte ich dir nicht vertrauen, entgegnete Gott, schließlich bist du aus meinem Licht erschaffen. Du bist ich und ich bin du. Der Seelenälteste zeigte auf einen fernen Planeten. Dort werde ich hingehen und alle Lebewesen Beseelen. Ohne sie zu verbrennen!
Gott war sich nicht sicher, ob das eine gute Idee war. Er hatte Lucifer versprochen, seine Finger von seinen Geschöpfen zu lassen und wenn der Plan von seinem Seelenältesten schief geht und wieder alle Geschöpfe Lucifer’s in Flammen aufgehen, dann könnte das in einem Desaster enden. Lucifer neigt zu Jähzorn und er würde es fertig bringen, aus Wut alles wieder zerstören, was er erschaffen hat. All diese wundervollen Universen! Wir vereinbaren einen Namen, sagte der Seelenälteste, mit dem du mich jederzeit rufen kannst. Sobald ich diesen Namen vernehme, höre ich sofort mit dem Beseelen auf, kehre zurück und werde nie wieder einen von Lucifer’s Planeten betreten.
Gott überlegte. Er überlegte lange. Dann gab er schließlich sein Einverständnis, sagte aber zugleich, dass er das für keine gute Idee halte. Es war die letzte Chance, die materielle Welt zu Beseelen und ihr auf diese Weise Liebe einzuhauchen. Sie vereinbarten einen Namen. Da Gott kein Name einfiel fragte er eine der jüngeren Seelen. „Michael“, nenne ihn Michael, sagte die junge Seele. Warum Michael? Weil es so schön klingt. Hör doch, der Name ist wie Musik! Mii-chaa-eeel. Gott erschauderte. Du hast recht. Was für ein Wohlklang! Was denkst du – Michael? Michael war begeistert, als er seinen Namen hörte. Ich danke dir junger Freund, für dieses wunderbare Geschenk! Dann machte er sich auf den Weg.
Doch er ging nicht direkt zu dem Planeten. Er begab sich zunächst zu seinem älteren Bruder Lucifer, der gar nicht erfreut darüber war, plötzlich einen Bruder zu haben. Er ist Gottes Ältester und er soll auch Gottes Einziger bleiben. Und jetzt kommt da dieser Michael. Was, wenn die anderen Lichtseelen auch alle Namen bekommen? Michael verneigte sich vor Lucifer und Lucifer war überrascht. Was für eine Energie! Gott-Vater, auch wenn dieses Etwas aus Licht keine Universen erschaffen kann, so muss ich doch eingestehen, dass sein Licht kolossal ist! Womit kann ich dienen, fragte Lucifer seinen Bruder Michael. Ich komme, um dich um einen Mantel zu bitten. Einen Mantel? Ja, einen Mantel aus Sternenstaub. Nur das kann mein Licht dämpfen, sodass ich nicht alles verbrenne. Was hast du vor, doch nicht etwa diesen Unsinn von unserem Vater fortsetzen und meine kunstvollen Geschöpfe „Beseelen“? Er unterstrich das Wort mit einer unverkennbaren Note von Spott. Es soll ein letzter Versuch werden, antwortete Michael. Du kannst mir auch Geschöpfe zur Verfügung stellen, die du entbehren kannst. Vielleicht welche, die dir nicht so gut gelungen sind, oder die du doppelt hast?
Lucifer lachte. Nicht gut gelungen? Doppelt? Meine Geschöpfe sind Kunstwerke, Unikate! Jedes ist etwas Besonderes. Und schau, was ich jüngst erfunden habe. Männchen und Weibchen! Jetzt haben meine Geschöpfe ein Geschlecht und können sich vermehren, ohne mein Zutun! Michael staunte. In der Tat hat Lucifer hier völlig eigene Welten erschaffen, von unfassbarer Schönheit und Lebendigkeit. Aber Vater hatte Recht, es fehlt die Liebe. Ja, alles lebt und kräht und schnattert und die Lebewesen vermehren sich von selbst. Aber es wirkt irgendwie lieblos und, wie soll ich sagen, mechanisch, dachte sich Michael. Gut, sagte Lucifer. Aber nur damit ich Vater beweisen kann, dass er sich dieses Seelending ein für alle Mal aus dem Kopf schlagen kann, zumindest was meine Geschöpfe angeht. Das sind Geschöpfe Lucifer’s und so soll es bleiben. Er kann sich gerne selber welche erschaffen. Wenn er sie nicht gleich wieder verbrennt, HAHA! Lucifer lachte hämisch, denn er wusste, dass ihr Vater seine Energien nicht so richtig kontrollieren kann. Immer noch nicht, nach so vielen göttlichen Jahrmillionen.
Michael stellte sich vor seinen älteren Bruder und breitete seine Arme aus. Lucifer staunte. Alles war Licht bei seinem jüngeren Bruder, während bei ihm nur das Innere leuchtete, er aber aussen eine dicke Patina aus schwarzem Sternenstaub besaß. Diese Patina war Millionen von Götterjahren alt und schützte alles, was er erschuf, vor der unfassbaren Energie, die auch er besaß und die in seinem Inneren loderte. Sie ermöglichte es ihm, lebendige Wesen zu erschaffen, ohne sie gleich wieder in Asche zu verwandeln. Als Michael seine Arme anhob, bildeten sich zwischen Amen und Rumpf Bahnen aus gleißendem Licht. Flügel aus Licht, rief Lucifer spontan, nicht schlecht Bruder! Aber so kommst du mir nicht auf meine Planeten. Du bist eindeutig Vater’s Ebenbild. So war auch ich, zumindest als ich erschaffen wurde. Dann machte ich über Jahrmillionen diese seltsame Verwandlung durch. Vater hat mir nie gesagt, warum. Er schweigt bis heute.
Ja, ich bin komplett aus Licht und staube nicht ein, so wie du. Deswegen bin ich hier, um dich um einen Mantel aus Sternenstaub zu bitten. Ich möchte deinen wundervollen Geschöpfen eine Seele geben. Deshalb lass einen kleinen Spalt um meinen Mund frei, sodass ich sie mit meinem Atem Beseelen kann. Ach Bruder, entgegnete Lucifer, da hat dir Vater ja einen Dinosaurier ins Ohr gesetzt (Lucifer’s ersten Geschöpfe). Aber von mir aus. Halte still. Die dunkle Materie, der Staub, wird dich zunächst erstarren lassen. Und wenn du dich dann meinen Geschöpfen näherst, erschrick sie nicht. Sie sind sehr sensibel, meine Kinder! Für jedes, dass du tötest, wirst du mir 100 Götterjahre dienen müssen! So soll es sein, Lucifer. Ich werde sehr vorsichtig sein!
Angela
Michael erschrak, als Lucifer ihn mit einem einzigen Atemzug in eine Wolke aus dichtem Sternenstaub hüllte. Sofort erlosch Michael’s Licht, bzw. verschwand unter einer dicken Kruste schwarzer Ewigkeit. Nur aus seinem Mund kroch noch ein leichtes Leuchten heraus.
Als die kurzfristig eingesetzte Starre aufhörte, näherte er sich dem ersten Geschöpf. Den Beschreibungen seines Bruders nach war es eine Menschenfrau. Sie hatte zarte Gesichtszüge, dunkles, lockiges Haar und zwei liebliche Wölbungen auf dem Brustkorb. Ihre Beine waren kräftig. Sie muss eine gute Läuferin sein, dachte sich Michael. Als sie ihn sah, schaute sie ihn nur unbeteiligt an. Wirklich kleine Wunder, die sein Bruder da erschaffen hat. Wenn Vater wüsste ….
Sie teilte Michael mit, dass sie müde sei und er später wiederkommen solle. Und er solle was zu Essen mitbringen, sie habe Hunger. Michael nickte und zog sich zurück, behielt dieses faszinierende Wesen aber im Auge. Die Menschenfrau legte sich unter einen Olivenbaum und schlief ein.
Michael wartete, bis sie eingeschlafen war. Dann schlich er sich lautlos, wie es nur Götter vermögen, an sie heran und schaute in ihr Gesicht. Er war entzückt. Gleichzeitig fragte er sich, wie er ihr von seinem Atem abgeben könne, damit sie eine Seele bekomme? Er hatte es sich einfacher vorgestellt. Dieser Körper ist eine einzige geschlossene Hülle. Das Einzige, was offen ist, ist der Mund und den braucht sie, um zu atmen. Lucifer, du listiger Gott, dachte sich Michael. Es gab nur eine Möglichkeit. Sobald sie einatme, müsse er ausatmen. Er beobachtete sie und übte, denn es war nicht leicht für ihn. Götter atmen normalerweise nicht, folglich kennen sie auch nicht so etwas wie Atemrhythmus. Dann versuchte er es. Er atmete genau in dem Moment aus, wo sie einatmete. Die Menschenfrau atmete das göttliche Licht Michaels ein und begann augenblicklich zu husten. Dann schlief sie wieder ein. So tief, dass sie begann zu schnarchen.
Michael fragte sich, ob sie jetzt eine Seele habe? Ich kann sie ja nicht fragen, sie schläft und Schlaf ist heilig, den darf man nicht stören. Da erschien Lucifer. Na, kommst du voran? Ich sehe, du hast dir die schöne Angela als erstes vorgenommen. Alle Männer wollen sie zur Frau, aber sie lehnt alle ab, sogar mich! Diese Menschen, sagte Michael zu Lucifer, sind anders, als alles was ich kenne. All die Lichtwesen und Götter, die sich immerzu darin zu übertreffen versuchen, was sie alles erschaffen können. Aber nichts von ihren Kreationen ist bleibend, alles ist nur – „piff“ – Illusion. Aber das, was du hier erschaffen hast, diese Körperwesen, das ist genial, Bruder. Lucifer grinste, wie nur er grinsen kann. Ich weiß und deshalb verstehe ich nicht, was das mit dem Beseelen soll? Sollen sie auch anfangen, im Geiste Welten zu erschaffen, um dann in ihnen umherzufliegen, wie Vater’s Götter, die er, seien wir mal ehrlich, nur aus Langeweile und zu seiner Unterhaltung erschaffen hat? Sprich nicht so über unseren Vater, unterbrach ihn Michael. Vater hat auch dich ersch affen und ganz gewiss nicht nur zu seiner Unterhaltung. Und mich auch nicht und auch nicht die anderen Götter und Lichtwesen.
Ach geh! Das hier, sagte Lucifer mit eindringlicher Geisteshaltung zu Michael, DAS HIER IST ECHT! Alles andere ist Budenzauber. Und meine Menschen werden eines Tages das gesamte Universum bevölkern und selber Kunstwerke erschaffen, wie sie noch kein Gott zuvor gesehen hat. Schau sie an. Sind sie nicht bereits göttlich? Sei nicht geknickt, Bruder. Immerhin hast du diese Frau hier mit deinem Atem in Tiefschlaf versetzt, das ist doch auch schon was, HAHA! Wie sie schnarcht. Ich habe sie noch nie schnarchen gehört! Die Menschenfrau Angela schlief so tief, dass selbst das Lachen Lucifer’s sie nicht wecken konnte. Und so bemerkte sie auch nicht, wie sich zwei Götter, umhüllt von Jahrmilliarden altem Sternenstaub davon schlichen. Einer kleinerer, gedrungen und kräftig und der andere groß und schlank, mit einem auffälligen Leuchten aus seinem Mund.
Nach zwei Stunden Schlaf erwachte Angela. Aus schmalen, müden Augen schaute sie in das Blätterwerk des Olivenbaumes, in dessem Schatten sie lag. Als sie einen Schmetterling erblickte, war sie so entzückt, dass ihr eine Träne die Wange herunter kullerte. Hallo mein Freund, sagte sie zu dem Schmetterling. Was führt dich zu mir? Langsam wurde sie wacher und sah, dass sich nicht nur 1 Schmetterling beim Olivenbaum eingefunden hatte, sondern viele, ja zahlreiche und in allen Farben. Dazu noch 2 Rotkehlchen, 1 Taube und eine Gruppe aufgeregter Spatzen. Wenn ihr alle durcheinanderredet, kann euch niemand verstehen, rief sie den Tieren zu. Sofort hörte das Gezeter auf. So ist gut und jetzt will ich weiter ausruhen. Ich bin heute besonders müde.
Der Narzisst
Lucifer machte sich sehr bald auf den Weg. Er wollte ein ernstes Wort mit Vater reden. Die Einmischungen in sein Leben müssen aufhören.
Als er auf Gott traf, war dieser gerade dabei, Miniseelen zu erschaffen. Hast du es immer noch nicht aufgegeben, Vater? Welche Planeten willst du mit diesen Tretminen verwüsten? Sie sind klein, aber immer noch zu stark! Schau. Er erschuf vor den Augen seines Vaters aus dem Nichts einen riesigen Granitfelsen und hielt ihn an eine von Gottes kleinen Seelen. Erst begann der Granit zu vibrieren, dann zu glühen und schließlich zerbarst er in Milliarden kleiner Teile.
Dein Problem Vater ist, dass du alles selber machen willst. Dabei hast du mich und Michael und alle die anderen Götter. „Wie war Michaels Mission?“, fragte Gott Lucifer, „war sie erfolgreich?“ Er ist wie du, nur bescheidener. Er hat versucht, eines meiner Geschöpfe zu Beseelen, seitdem schläft es. Oh, entgegnete Gott. Lucifer kam zur Sache. Ich bin nicht gekommen, um mit dir über Michael zu reden, es geht jetzt ausnahmsweise mal um mich, deinen Erstgeborenen. Ich will, dass du dich nicht mehr in mein Leben einmischt. Auch Michael nicht, oder sonst wer von deinen erleuchteten Hippies. „Aber wir mischen uns doch gar nicht ein?“, versuchte Gott zu beschwichtigen. Und was ist das schon wieder für ein komisches Wort, Hippie? Ihr jungen Leute sprecht manchmal eine merkwürdige Sprache. Alle haben großen Respekt vor deiner Schöpferkunst und ich hatte versucht Michael davon abzuhalten, auf deine Planeten zu gehen. Ich sagte ihm, dass das keine gute Idee sei. Ehrlich, so war es!
Es trat eine Pause ein.
Dann unterbrach Lucifer die Stille. Warum Vater, bin ich so, wie ich bin? Warum hast du mich zu einem Stück Dreck werden lassen und all deine anderen Göttinnen und Götter zu schillernden Lichtgestalten? Was habe ich dir getan!?
Du hast mir gar nichts getan und ich liebe dich, wie alle anderen auch. Du wurdest so, wie du bist – aus dir selbst heraus. So, wie auch die anderen, von denen ich immer hoffte, dass du sie als Brüder und Schwestern annimmst, zu dem wurden, was sie jetzt sind, weil es in ihrer Bestimmung liegt. Bestimmung, antwortete Lucifer misstrauisch. „Wer bestimmt die Bestimmung?“ Also, ja, wie soll ich’s sagen, druckste Gott herum, die jeweilige Bestimmung wird bestimmt, durch den Bestimmenden, welcher wiederum die Summe aller möglichen Bestimmungen ist.
RED NICHT SO NE GEQUIRLTE SCHEISSE, VATER! WER HAT BESTIMMT, DASS ICH SO WERDE, WIE ICH JETZT BIN?!
Wieder trat eine längere Stille ein.
Ich, antwortete Gott schließlich kleinlaut. Lucifer schaute seinen Vater aus großen Augen an. DU? Ich wusste es! Gerade wollte er sich von ihm abwenden, um für immer das Reich der Götter zu verlassen, da rief ihn sein Vater zurück. Bitte hör mir zu, ich bitte dich inständig!! Lucifer schaute nach unten und sagte, ohne sich umzudrehen, „Sag, was du mir noch zu sagen hast.“
Die Schöpfung, das weißt du selbst, ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Sehr komplex! All die Elemente, Energien. Dann die Gravitation – Herrje, die Gravitation! „KOMM ZUR SACHE!“, rief Lucifer energisch. Gott fuhr fort. Alle Wesen, also auch du, sind ein Teil von mir. Ich war zu Beginn aller Zeiten das Einzige, was existierte. Und ich war einsam, sehr einsam! „Mir kommen die Tränen!“, unterbrach ihn Lucifer erneut. Ich hatte Pläne. Ich wollte Welten erschaffen, Universen, Galaxien, lebende Geschöpfe von erhabener Schönheit – all das, was DU jetzt machst, Lucifer! Aber immer, wenn ich etwas erschaffen hatte und eine dieser Welten betrat, um mich an ihrer Schönheit zu erfreuen, löste sie sich in einem gleißenden Feuerball auf.
Eines Tages fiel ein kleines Licht von mir ab, ein winzig kleines Licht. Als es erlosch, weil es zu schwach war, um zu bestehen, wusste ich die Lösung meines Problems. Ich musste lernen abzugeben. Ja, du hast recht, Lucifer. Mein kluger Erstgeborenen hat es genau erkannt. Ich will und wollte schon immer alles alleine machen. ICH BIN GOTT, DAS ERWARTET MAN EINFACH VON MIR!
Meine Zeit ist knapp, drängte Lucifer. Meine Geschöpfe brauchen mich, sonst sterben sie. Gott fuhr fort, bemüht um weniger Worte. Ich hatte damals einen Traum. Ich begegnete in diesem Traum einem goldenen Drachen und der sagte zu mir, wenn ich Welten erschaffen wolle, dann müsse ich genau diesen Teil von mir abspalten. Dieser Teil von mir würde dann nur aus dieser einen Aufgabe bestehen und seine Energie würde dann nicht mehr die Zerstörungskraft besitzen, wie meine sie jetzt hat. Bevor der Drache verschwand, zeigt er mir noch, wie ich es machen solle. Es war zu meiner Überraschung gar nicht schwer. Ich hockte mich hin, dachte an das, was ich abspalten will und drückte einmal kräftig. Dann machte es Plopp und ein goldenes Ei kam aus mir heraus. Und aus diesem Ei wurdest du.
Lucifer drehte sich fassungslos um. Du hast mich ausgekackt? Nein, um Himmels Willen, Nein! Ich habe dich geboren! Wo hast du überhaupt dieses Wort her? Also, zusammengefasst, resümierte Lucifer, hast du, weil du zu tollpatschig bist, Welten zu erschaffen, die du nicht anschließend wieder zu Staub werden lässt, mich aus dir herausgepresst, damit ich das für dich erledige. Habe ich dich richtig verstanden? Gott intervenierte. Das hört sich so egoistisch an, wie du das sagst, für was hältst du mich? „Für einen narzisstischen Gott?“, erwiderte Lucifer mit einem fragenden Unterton. Sag mir nur noch, warum ich von Dreck überzogen bin und all deine himmlischen Schillerlöckchen nicht? Das, nunja, stotterte Gott, wie ich schon sagte. Das warst du selbst. Deine Seele … „Seele?“, fauchte Lucifer. Du willst doch nicht sagen, dass ich auch so etwas Nutzloses besitze? Alle meine Geschöpfe haben eine Seele! Ich kann das nicht anders, sie sind aus meinem Licht entstanden und das ist das Licht aller Seelen, die es jemals geben wird, bis in alle Ewigkeit, antwortete Gott. Auch in dir brennt eine Seele, Lucifer! Schau, wie du unter deiner dicken Schicht aus Sternenstaub strahlst! „Ja, ätzend!“, knurrte Lucifer genervt.
Gott fuhr fort. Deine Seele ist mit dem Wunsch behaftet, Welten zu erschaffen, denn dafür habe ich sie geboren. Lucifer wollte gerade etwas sagen, da ermahnte ihn sein Vater. „unterbrich mich jetzt bitte nicht!“. Ja, es war egoistisch von mir, dir deinen freien Willen vorzuenthalten, damit du MEINE Wünsche verwirklichst, aber es gab keine andere Möglichkeit. Wenn du es nicht gewesen wärst, dann wäre es halt jemand anders gewesen. Einer muss es machen und es ist ja auch zu deiner Freude, oder? Wieder wollte Lucifer was sagen und wieder erbat sich Gott, weitersprechen zu dürfen. Deine Seele ist also mit diesem Seelenplan auf die Welt gekommen und sie wusste, wenn sie mit Leben erfüllte Welten schaffen will, dann muss sie die Bedingungen dafür bereiten. Sie muss sich eine Hülle zulegen, die es ihr ermöglichst, sich in materiellen Welten zu bewegen, ohne diese zu verbrennen. Und die einzige Möglichkeit, die es gab, war dieser Panzer aus Sternenstaub.
Übrigens ist das nicht irgendein Sternenstaub! Es ist der Staub der allerersten Sonne, aus der ICH geboren wurde. Ich bin das Licht der allerersten Sonne, prahlte Gott. Der materielle Anteil wurde zu Staub und daraus hat sich deine Seele ihren Mantel gewebt. Ich hätte das nicht gekonnt. Hätte ich mir den Sternenstaub der allerersten Sonne umgehängt, dann hätte er sich wieder mit ihrem Licht vereint und alles wäre von vorne losgegangen. Du aber warst dazu in der Lage. Und jede Sonne, die du erschaffst, ist ein Abkömmling der allerersten Sonne.
Lucifer bebte innerlich. Also, du hast dir das Licht der allerersten Sonne genommen und mir den Dreck überlassen, damit ich DEINE Wünsche erfülle, weil du mit deiner „göttlichen“ Strahlkraft, er gestikulierte dabei theatralisch, alles, was du kreierst, sofort wieder vernichtest. In deinem Frust hast du dir dann den kleinen Lucifer aus der Kimme gepresst, damit er dich fortan mit schönen Universen und putzigen Geschöpfen unterhält. Danke Vater, jetzt weiß ich woran ich bin! Lucifer verließ das Reich der Götter, ohne sich noch einmal umzudrehen. Gott rief ihm noch etwas nach, aber er vernahm es nicht mehr. Zutiefst gekränkt begab sich Lucifer zurück zu seinen Universen und kümmerte sich fortan nur noch um seine Geschöpfe, allen voran die Menschen. Die hatten es ihm besonders angetan.
Angela’s Traum
Die Menschenfrau war an diesem Morgen von großem Tatendrang. Sie hatte sich aus einem scharfen Stein eine Klinge geschlagen und mit der schnitzte sie aus dem Ast einer Weide einen Bogen.
Dann nahm sie den langen Stengel einer Hanfpflanze, zog Streifen von dessen Rinde ab, drehte einen dünnen Zopf daraus und knotete ihn um die beiden Enden des Bogens. Lucifer sah das und fragte sie, was das werde und wer ihr das beigebracht habe? Ich habe es gezeigt bekommen, als ich schlief. „Du hast es gezeigt bekommen, während du schliefst?“, fragte Lucifer mit einer leichten Unruhe. Ja, ich schlief und begegnete im Schlaf einem Mann. Und der zeigte mir, wie man aus diesen Steinen dort Klingen herstellt und mit diesen Klingen dann einen Bogen schnitzt. Und mit dem Bogen kann ich dann Jagen gehen und mich mit Fleisch versorgen und wärmenden Fellen. Das mit dem Hanf kannte ich schon – du weißt, so’n Frauending. Es war übrigens ein sehr schöner Mann! Leider gibt es solche im Wachleben nicht.
Lucifer schluckte. Dann setzte er sich zitternd hin. Sein Innerstes leuchtete vor Aufregung und schien durch jede Pore seiner ledernen Hülle. Sie hat geträumt. SIE HAT GETRÄUMT! Nur Götter können träumen. Sie aber ist kein Gott. Michael, was hast du getan! Du hast sie Beseelt und jetzt ist meine geliebte Angela eine Göttin. Was soll aus ihr werden? Sie hat jetzt eine Seele und ist für meine Welt nutzlos geworden. Sie wird mit ihrem Licht die unbeseelten Menschen um sich herum neugierig machen und dann wollen sie auch eine Seele haben. Es wird Unfrieden und Zank in die friedliche Menschenwelt bringen. Womöglich wird sie LIEBEN! Ich kann gar nicht daran denken, an all das Unheil!! Lucifer war am Boden zerstört. Ich muss mit Michael reden, er muss das sofort wieder rückgängig machen! Diese Esoteriker, die machen mir alles kaputt!!
Als Michael zurück ins Reich der Götter kehrte, ging er als erstes zu seinem Vater. „Lucifer“, rief Gott, „du bist doch noch mal zurückgekehrt?“ Ich bin’s, Michael. Lucifer hat mir diesen Mantel aus Sternenstaub gegeben, damit ich beim Besuch auf seinen Planeten nicht alles in Schutt und Asche lege. Oh, ich dachte du bist dein Bruder. Er war hier. Er war sehr zornig und er denkt ich liebe ihn weniger, als die anderen. Und er forderte Erklärungen. Die gab ich ihm, aber die machten ihn noch wütender. Ich bin ehrlich gesagt ratlos. „Lucifer war hier?“, fragte Michael. Er war seit Jahrtausenden nicht mehr hier, es muss wirklich dringend gewesen sein!
Gott bat Michael, ihm zuzuhören und dann erzählte er detailliert, was vorgefallen war. Ich kann mit ihm reden, schlug Michael vor. Wir können gut miteinander, glaube mir! Nein, er ist auf dich auch nicht gut zu sprechen, antwortete Gott. Du hättest versucht, eines seiner Geschöpfe zu Beseelen. Ich hatte dir doch davon abgeraten! Wir sollten ihn sein Ding machen lassen und wir machen unseres, alles andere führt nur zu Familienstreit. Aber Vater, ich habe seine Geschöpfe gesehen, sie sind großartig! Und sie haben es verdient, eine Seele zu haben. Sie sind so, wie du dir lebendige Wesen immer vorgestellt hast. Weißt du noch früher, als du uns diese Geschichten erzählt hast, nur um anschließend in Trübsal zu versinken, weil nichts davon wahr war? Lucifer hat diese Geschichten wahr gemacht! Alles, was seinen Geschöpfen fehlt, ist eine Seele.
Ja, er erzählte, dass du es bei einem Menschenwesen versucht hättest und seitdem schläft es. Es ist kompliziert, weißt du, rechtfertigte sich Michael. Sie haben nur 1 Öffnung und durch die atmen sie. Es ist nicht einfach, ihnen eine Seele einzuhauchen. Ich habe es versucht, aber das ging wohl schief. Lucifer hat mich anschließend ausgelacht und dann bin ich total frustriert wieder gegangen. Aber wir müssen es weiter versuchen! DU musst es weiter versuchen, wenn du unbedingt willst, ich bin raus aus der Nummer. Ich denke, wir sollten uns in seine Angelegenheiten nicht einmischen. Michael zog sich zurück. Ich ruhe jetzt aus. Morgen werde ich wieder zu den Menschen gehen. Es muss eine Methode geben, sie zu Beseelen und die werde ich herausfinden.
Lucifer’s Dämonen
Lucifer schaute auf seine Dämonen. Sie waren perfekt! Er hatte sie eigens erschaffen, damit niemand mehr sein Reich betreten könne, der dort nichts zu suchen hat, auch sein Bruder Michael nicht. Es ist schwierig, Dämonen von dieser herausragenden Qualität zu erschaffen.
Seine beiden hier sind stark und unberechenbar, wie scharfe Hunde. Passt man nicht auf, wird man selbst gebissen. Aber genau so müssen sie sein. Sie sollen schließlich sein Reich bewachen, seine Welt! Jeder von ihnen ist aus dem Ruß einer erloschenen Sonne geformt, hat das verborgene Wissen einer kompletten Galaxie und das Bewusstsein ihrer dunklen Materie. Wenn sich jemand meinem Reich nähert, dachte Lucifer, werden sie es schon Jahre vorher wissen und wer ihnen zu nahe kommt, der zerfällt zu Staub. Allein die Vorstellung befriedigte ihn. Das mit dem zu Staub werden lassen, hatte Lucifer als Kind seinem Vater abgeschaut. Aber nur er hat herausgefunden, wie es geht. Nicht einmal Gott selbst weiß es!
Das Geheimnis ist die Energie der ungeborenen Universen. Sie kann allem, was existiert, gefährlich werden und sein Vater, der Gott aller Götter und Welten, ist die Urenergie, aus dem alles entstanden ist und jemals entstehen wird. Es war schwer für Lucifer, zwei ungeborene Universen ausfindig zu machen, die nicht der Kontrolle seines Vaters unterlagen und die er heimlich an sich nehmen konnte, um sie seinen Dämonen als Herzen einzupflanzen. Michael, Bruder. Nie wieder wirst du hier einfach aufkreuzen und meine Geschöpfe, meine Kunstwerke, für deine Seelenexperimente missbrauchen. NIE – WIEDER!
Michael machte sich auf den Weg. Er überlegte noch, ob er Lucifer etwas mitbringen solle, ein kleines Gastgeschenk, aber Lucifer hat alles. Ausser Seelen – doch die interessieren ihn nicht.
Lucifer war gerade damit beschäftigt, einen geeigneten Mann für Angela zu erschaffen, als Michael ihm auf die Schulter tippte. Nichtsahnend drehte Lucifer sich um und erstarrte. WIE BIST DU HIER HEREINGEKOMMEN?!! Och, das war ganz einfach, entgegnete Michael. Deine Wächterdämonen empfingen mich mit feurigen Augen und waren kurz davor, mich zu rösten, als ich ihnen sagte, wie schön sie seien und dass sie die schönsten Dämonen sind, die ich jemals gesehen habe – was im übrigen stimmt. Dann fingen sie an zu streiten, wer der schönere von beiden ist, während ich mich an ihnen vorbei schlich. Du bist ein wahrer Künstler, Bruder Lucifer! Nur leider etwas, wie soll ich sagen, destruktiv? Ich mein, sie haben mich nicht einmal angehört, sondern wollten mich gleich angreifen! Einzig ihre Eitelkeit hat mich am Ende gerettet. Aber in dem Punkt sind sie wie du.
Was ist los, Bruder, warum darf ich nicht mehr hier her, ist es wegen der Menschenfrau? Lucifer rang um Fassung. Es ist nicht einfach eine Menschenfrau, es ist MEINE Menschenfrau! Sie ist das perfekteste, was ich je erschaffen habe. Selbst meine Meisterdämonen, die Schwachköpfe, sind nicht annähernd so perfekt, wie sie. Und du hast sie für immer zerstört! Sie ist verloren, meine Angela. „Was ist geschehen?“, fragte Michael nichtsahnend. Lucifer schwieg eine Weile, um sich zu beruhigen. Dann antwortetet er. „Sie hat eine Seele, das ist geschehen. DU HAST SIE BESEELT! Vater hatte versprochen, dass das nie geschehen würde, aber euch sind Versprechen offenbar egal! „Ich wusste nichts von dem Versprechen, antwortete Michael, „jedenfalls damals noch nicht. Also, deine Menschenfrau hat eine Seele? Wirklich? Das .. das ist doch wundervoll!“
„Nein“, zischte Lucifer Michael direkt ins Gesicht, „ist es nicht. Und soll ich dir sagen warum? Weil sie jetzt eine Göttin ist und mich irgendwann verlassen wird. Götter können nicht in den Welten anderer Götter leben, das solltest du wissen.“ „Aber nein“, versuchte Michael ihn zu beruhigen, “sie ist weiterhin ein Mensch. Nur das sie jetzt ein Mensch mit Seele ist. Sie kann jetzt lieben, das ist doch etwas Schönes?“ „Liebe! Du mit deinem Hippie-Kack!“, fauchte Lucifer. „Sie ist mehr als NUR ein Mensch. Sie hat geträumt!“ Michael traute seinen Ohren nicht. Sie hat geträumt? Sicher? Glaubst du, ich denke mir sowas aus? Ich mag ein Exzentriker sein und übermäßig intelligent, begabt und gerissen, aber eines bin ich gewiss nicht, ein Lügner! Sie träumte und sie erzählte mir von ihrem Traum. Und jetzt bin ich gerade dabei, ihr den Traummann zu erschaffen, damit sie nicht mehr von ihm träumen muss. Vielleicht habe ich noch eine Chance, wenn sie sich einfach nicht mehr daran erinnert, dass sie Träumen kann? „Ich habe nicht geahnt, bitte glaube mir, dass das Beseelen aus einem Menschen einen Gott macht?“, versuchte Michael sich zu rechtfertigen.
Der Selbstgerechte
Michael war verzweifelt, denn er liebte seinen Bruder. Er wusste zwar, dass Lucifer ihn nicht zurück liebte, weil er nicht lieben konnte – oder nicht mehr. Aber dennoch liebte er seinen exzentrischen, übermäßig intelligenten, begabten und gerissenen Bruder.
Er, Lucifer, war alles, was er immer sein wollte. Lucifer bekam schon früh Verantwortung übergeben, er, Michael, hingegen nicht. Während Lucifer bereits Universum um Universum erschuf, musst er, Michael, Vater dabei zusehen, wie er ein Universum nach dem anderen vernichtete, weil er seine Energie nicht unter Kontrolle hatte. Während Lucifer die wundervollsten Geschöpfe erschuf, reichte Vater ihm mehrmals am Tag die göttliche Kehrschaufel, weil er mal wieder komplette Völker zu Staub verwandelt hatte. „Ich will etwas Nützliches tun, Vater!“, sagte Michael eines Tages zu Gott. Aber das tust du doch bereits? Du bist das Licht an meiner Seite und erleuchtest mein Sein. „Ja, ich weiß. Aber da hast nur DU etwas von, ich nicht!“ Gott war überrascht, so aufmüpfig kannte er seinen Jüngsten gar nicht? „Du weißt schon, dass das respektlos klingt?“ Ja, Vater. Aber wenn du lediglich ein Licht brauchst, dann erschaffe dir eines. Ich bin dein Sohn und keine Leselampe!
Gott nahm sich das sehr zu Herzen. Wenn der eigene Sohn einem Egoismus vorwirft, dann kann man nicht einfach so tun, als sei alles in Ordnung. Angenommen, es ist was Wahres dran? Schließlich hat er als Gott Vorbildfunktion! Was, wenn die anderen Götter anfangen, hinter seinem Rücken zu tuscheln? Rabengottvater würden sie ihn dann womöglich nennen und es bräuchte Jahrmillionen, um das verlorene Vertrauen wieder aufzubauen. Es war nicht einfach für ihn. Schließlich war er die höchste moralische Instanz und er musste immer alles richtig machen. IMMER und FÜR JEDEN!
Niemand kann sich vorstellen, wie schwer es ist, Gott zu sein. Also, GOTT und nicht irgendein Göttchen, dass sich irgendwo in der hintersten Ecke des Universums einen kleinen Planeten erschaffen hat, sozusagen eine göttliche Datsche, um dort mit seinen Geschöpfen unterhaltsame Spielchen zu treiben. Oft musste er eingreifen, weil manche Götter wahre Sadisten sind. Sie lassen ihre Geschöpfe hungern und Kriege führen, nur um sich daran zu ergötzen. Erst vor wenigen Jahrmillionen musste er einem besonders niederträchtigen Gott die Schöpferkraft wieder entziehen. Dazu musste er den Planeten jedoch betreten und dabei hat er ihn dann leider zu Asche verdampft. Nein, Michael braucht eine Aufgabe, eine echte Aufgabe! Und so beschloss Gott eines Tages, Michael das Beseelen von Geschöpfen beizubringen. Und Michael erwies sich als gelehriger Schüler.
Lucifer’s Rache
Lucifer schaute auf seine Menschenfrau Angela. Seit Tagen schläft sie und das ist kein gutes Zeichen. Ihre Schlafphasen werden immer länger und das bedeutet, dass ihre Traumwelt immer mehr Gestalt annimmt. Das ist es, wie Götter Welten erschaffen, sie Erträumen sie. Und Angela lächelte vor sich hin, während sie ihre Welt erträumte. Ihre neue Welt, ihre eigene!
Die Wächterdämonen hatten versagt. Wie einfach sie zu überlisten waren! Lucifer dachte nach, was er falsch gemacht haben könnte? Er hatte jedem von ihnen die Energie eines ungeborenen Universums mitgegeben und sie aus dem Staub von erloschenen Sonnen geformt. Und als er ihnen ihr Leben einhauchte, spürte er, wie sie Teile seiner selbst wurden, Teile Lucifer’s, dem Herrscher über alles Materielle. Er ist ein Gott! Wie konnten sie so charakterschwach werden?
Lucifer sah sich nicht einfach nur als ein Gott, sondern als der wichtigste aller Götter. Ohne ihn gäbe es nur dieses langweilige, nichts sagende Licht. Alles würde stillstehen und sich theatralisch der Erleuchtung hingeben. „Oh Gott, Vater, schau wie erleuchtet ich bin!“, äffte Lucifer die anderen Götter nach. Licht ist nichts, dachte Lucifer. Es ist einfach nur hell und langweilig. Die Dunkelheit hingegen, die hat Geheimnisse! Sie versteht zu schweigen, sich anzuschleichen, zu überraschen. Sie sagt dir nie, was sie vorhat und wenn doch, dann weißt du nie, ob es stimmt. Er liebte die Dunkelheit. Für ihn war sie vollkommen.
Lucifer hasste Michael von diesem Tag an. Er fühlte sich belogen und betrogen. Von beiden, von Michael und seinem Vater. Sie haben ihn hintergangen und verraten. Er würde sich am liebsten an ihnen rächen, aber wie? Sie haben nichts, was man ihnen nehmen kann. Oder doch?
Lucifer legte sich auf den Rücken, blies einen Spiralnebel in die Luft und schaute schelmisch lächelnd dabei zu, wie eine Galaxie daraus wurde. Diese Galaxie, dachte er sich, wird meine List, meine Falle. Ich werde sie mit den wundervollsten Menschengeschöpfen beleben, die man sich nur erdenken kann. Und Michael wird sie alle Beseelen dürfen. Und Gott, Vater, wird entzückt sein, wie ein Großvater, der seinen Enkeln beim Spielen zusieht. Doch ich werde ihre geliebten Menschen, vor ihren Augen, aber unsichtbar für ihren Geist, zu Monstern machen. Zu Dämonen, wie nur ich sie erschaffen kann. Und Michael wird versuchen sie zu retten und mit Licht überhäufen. Aber es wird nicht nützen, denn sie sind anders, als meine jetzigen Menschen.
Die Menschen der neuen Galaxie werden es lieben zu Hassen und hassen zu Lieben. Und Michaels Seelen werden zugrunde gehen, weil sie es nicht werden ertragen können. Und Vater wird in Depressionen verfallen, weil er sie lieb gewonnen hat – in den Anfangs-Jahrmillionen, als sie noch nicht zu Monstern geworden waren. Aber jetzt muss er zusehen, wie sie die Idee der Schöpfung ins Perverse verkehren. Und sie werden mich um Hilfe bitten. Aber ich werde nicht da sein. Ich werde bei MEINEN Menschen sein. Die haben zwar keine Seele, aber sie achten alles Leben und massakrieren sich nicht gegenseitig. Seelen schaffen Begehrlichkeiten und Begehrlichkeiten schaffen Kriege und Untergang. Warum verstehen Vater und Michael das nicht? Mir egal, dachte sich Lucifer, während er mit der Spitze des rechten Zeigefingers am Rande der Galaxie ein Sonnensystem schuf.
Lilith
Als Lucifer nach seiner Angela schaute, stand sie in goldenem Glanz, erhaben, wie es nur eine Göttin sein kann, vor ihm: „Vater, ich werde dich verlassen. Ich liebe dich! Aber ich habe jetzt eine eigene Welt, ein eigenes Universum sogar. Und ich habe einen neuen Namen. Angela war die Menschenfrau, aber ich, die Göttin, bin Lilith!“
Lucifer war das erste Mal in seinem Leben den Tränen nahe. Er musste sehr vorsichtig sein, mit Tränen, denn sie können auf seinen Planeten Sintfluten auslösen. Aus der Menschenfrau Angela wurde die Göttin Lilith. Und sie ist eine schöne und stolze Göttin! Ganz meine Tochter, dachte sich Lucifer und küsste ihre linke Wange. Du kannst mich jederzeit besuchen Luci (so nannte Angela ihn immer), aber es geht nur mit einem Opfer, das weißt du! Götter können nur über Blutopfer kontaktiert werden und meine Blutopfer sind Menschen. Komme mir nicht mit einem Hirsch oder einem Bären. Das wird dich gerade mal in die Nähe meiner Welt bringen. Ein Menschenopfer muss es sein! Und je mehr dir dieser Mensch bedeutete, umso mehr Energie liefert er. Dann überreicht sie ihm eine Flöte. Wenn du diese Flöte spielst, während dein Menschenopfer stirbt, wirst du zu mir gelangen. Verliere sie nicht! Dann löste sie sich auf, einfach so. Sie hinterließ nichts, nicht einmal Staub.
Wird die Geschichte weitergehen? Das wissen nur die Götter 😉