1.Nacht
Das letzte Ayahuasca ist drei Monate her und mir kommt es vor wie ein halbes Jahr. Es hat sich in diesen drei Monaten viel negative Energie in mir angesammelt und dieser Wintermüll muss raus. Dieses Wochenende mit der Pflanzenmedizin Ayahuasca wird mein Frühjahrsputz.
Das Ayahuasca ist diesmal sehr dickflüssig, was ich ziemlich ekelig finde. Ich würge es herunter und trinke auf Anraten der Assistentin einige Schluck Wasser hinterher. Nach bereits 20 Minuten kommt es wieder raus. Dann lege ich mich hin. Es stellen sich erste Visionen ein, aber alles noch sehr mild. Dann kommt die 2. Kotz-Welle und befördert nicht nur den letzten noch verbliebenen Rest Ayahusaca raus, sondern auch den ganzen Seelenschrott des Winters. Es geht mir jetzt ziemlich schlecht, körperlich wie psychisch. Magen und Darm verkrampfen und wollen gar nicht mehr aufhören zu kontrahieren. Nun kommen auch bizarre und grelle Visionen dazu.
Der Körper beginnt sich gefühlt aufzulösen und insektenartiges Sirren durchströmt meinen Kopf, welches dann in ein Brummen übergeht. Die bizarren Muster und fratzenhaften Bilder verheißen nichts Gutes. Ich sage „Ich gehe nicht mit euch!“. Dann musst du eben weiter leiden, bekomme ich als Antwort – von wem auch immer. Erneut übergebe ich mich und sobald ich die Augen schließe, will es mich forttragen, hinein in die Welt der schrillen Geometrien und Teufelsfratzen. Ich reibe mich mit einem kalten Lappen ab und verweigere abermals die Gefolgschaft. Vergesst es, denke ich und spucke mehrmals verächtlich aus. Schon bald wird es ruhiger und die Situation wird von mir nicht mehr als bedrohlich empfunden. Ich gebe mich entspannt der Pflanze hin und lasse sie machen. Es ist ungefähr 1 Stunde nach der Einnahme.
In einer tiefen Trance bekomme ich einen Vortrag über das Verhältnis von Ego und Seele. Demnach werden wir zwar bereits mit einem Ego geboren, aber es ist noch nicht voll ausgebildet. Dadurch haben Kinder immer noch einen guten Zugang zu ihrer Seele, zur Quelle allen Seins, zur Intuition. Im Laufe unseres Lebens bauen wir die Ego-Mauer Stein um Stein höher, bis auch der letzte Lichtstrahl der Seele von ihr abgeschirmt ist. Wir verlieren den Zugang zu unserem Selbst, unserem höheren Ich und somit zur Source (Gott, Universum), denn unsere Seelen sind unmittelbar mit ihr verbunden. Entfremdet irren wir Erwachsenen durchs Leben und denken, dass wir es sind, die Entscheidungen treffen, dabei ist es nur unser getriebenes Ego.
Als Programmierer sehe ich das so. Technisch verbildlicht ist das Ego die Firmware der Festplatte und die Seele das Betriebssystem. Niemals den Rechner der Festplatten-CPU überlassen!
Ich falle in einen kurzen Klartraum, in welchem ich verschiedene Situationen meines Lebens noch einmal erlebe und kann beobachten, wie mein Ego Dinge falsch entschieden, oder sich gar lächerlich gemacht hat. Ich sehe, wie dumm es ist und fange an, darüber zu lachen. „Das Ego totlachen“, fällt mir augenblicklich ein. Nach dem Traum bekomme ich einen Kickstarter-Trick zum Initialisieren der Kundalini-Energie mitgeteilt. Meine innere Stimme, meine Intuition, zu der ich in diesem Zustand des ausgekotzten Egos freien Zugang habe, verrät mir eine rein mentale Methode, die Kundalini-Energie augenblicklich aufsteigen zu lassen, binnen von Sekunden. Ich probiere sie aus und es klappt auf Anhieb. Den Rest der Nacht bin ich damit beschäftigt, mich von einem energetischen Höhepunkt zum nächsten zu „denken“. Auch Visionen habe ich dadurch wieder, obwohl die wegen des frühen Erbrechens schon längst verschwunden waren.
So fliege ich anschließend noch durchs All, besuche zwei Planeten, sehe Königin Kleopatra vor mir und begegnete einem blau-orange-grünem Fuchs, der mir frech ins Gesicht grinst.
Am Morgen, nach ca. 3 Stunden tiefen Schlaf, probiere ich den Kickstarter-Trick erneut. Er klappt auf Anhieb. Ich lade mich selber auf, mit der nötigen Energie für den Tag und die 2. Nacht.
2. Nacht
Wie schon die Nacht davor war auch diesmal das Ayahuasca dick und stark. Es waren vielleicht 20 Minuten vergangen, da entließ ich das bittere Zeug bereits wieder in meinen Eimer, begleitet von Schwindelanfällen und bizarren Visionen. Es folgte eine Phase der Entspannung. Ich schloss die Augen und ließ mich von den Mustern und Geometrien treiben. Sie waren fast unerträglich grell, aber auch sehr schön. Irgendwann wurden sie immer bizarrer. Die Farben wechselten von Weiß und Gelb zu Rot, Dunkelblau und Schwarz und an Stelle von heiligen Geometrien schaute ich in Aztekenmasken und Clownsgesichter. Ich riß die Augen auf. Auf diese Gesellschaft hatte ich keinen Bock. Die Quittung kam kehrtwendend. Ich musste mich abermals heftig übergeben, mehrmals.
Ayahuasca hat eine klare Spielregel: Mitmachen und sich der Pflanze hingeben, in diesem Fall mit den bizarren Fratzen auf Reise gehen, oder Leiden.
Meine letzte Begegnung mit den Fratze endete darin, dass ich Teil eines Rechenwerkes war und aberwitzige Aufgaben zu lösen hatte, gefühlt über Stunden, obwohl es real wahrscheinlich nur 20-30 Minuten waren. Ich traue diesen Fratzen nicht, deshalb gehe ich mit ihnen nicht mit. Da ich mich früh übergeben hatte, dauerte dieser Peak, der auch von den üblichen körperlichen Erscheinungen begleitet war (Zittern, Ohrensausen, Gefühl der Auflösung), nur kurz. Ich konnte schon bald in die meditative Phase übergehen.
Ich war umgeben von sanften Visionen, überwiegend Muster und Geometrien. Die Farben waren hell und freundlich. Ich fragte, was meine Aufgabe im Leben ist? Die Antwort kam noch bevor ich die Frage zu ende gestellt hatte. „Leuchte. Sei anderen ein Licht.“ Ich war völlig überrascht von dieser Antwort und zugleich erfreut. Anderen ein Licht zu sein, erschien mir in diesem Zustand purer Energie und Liebe eine sehr schöne Aufgabe zu sein. Ich setzte mich auf und visualisierte, ein Licht zu sein. Unmittelbar schoß eine sehr starke Energie durch meinen Körper. Mein Sichtfeld wurde hell und ich hatte das Gefühl aus Millionen von kleinen Lichtpartikeln zu bestehen. Alle meine Muskeln spannten an, aber ohne zu verkrampfen. Ich leuchtete.
Ich war zu einer brennenden Flamme mutiert, einer lebenden Fackel. Das Feuer schoß durch meinen Körper und oben aus dem Kopf heraus. Diesen Zustand konnte ich ca. drei Minuten halten.
Dann wechselte die Farbe des Lichtes von weiß-orange über pink zu grün. Ich wiederholte diese Visualisierung noch ein paar mal, aber keine der folgenden hatte die Intensität, wie diese erste. Ich lernte dadurch aber, meine eigene Energie zu aktivieren, die Kundalini. Ich konnte sie bislang nur durch lang anhaltende Meditationen aktivieren. Jetzt aber, seit diesem Retreat, kann ich sie aktivieren, wann immer und wo immer ich will, mit einem Fingerschnipp. Das übte ich die ganze weitere Nacht. Ich verwandelte mich unzählige Male in pure Energiesäulen. Musste ich anfangs noch visualisieren, reichte irgendwann nur noch das Zucken des Fingers und die Kundalini schoss von Steißbein ausgehend durch meinen ganzen Körper.
Ich gab dieser Technik den Namen „Kickstarter“. Mein Hals streckte sich jedesmal unweigerlich, was ich als Öffnen des Kelhkopf-Chakras interpretiere. Ich steigerte die Methode indem ich mit den 4 Fingern einer Hand einen kleinen Trommelwirbel vollführte. Es führte zu einer Explosion zwischen meinen Schläfen, so stark, dass ich mir nicht sicher war, ob das gut ist. Es fühlte sich aber gut an, wie ein Monsterorgasmus, ohne die sexuelle Komponente.
Dann kam eine Phase des Ausruhens. Die Kundalinischübe hatten meine Visionen noch verstärkt und ich verfiel in bildreiche traumartige Zustände, aber ohne zu schlafen. Städte, Raumschiffe, traumhaft schöne Landschaften.
Ich flog durchs All und landetet auf fremden Planeten – zumindest visuell. Als es Morgen wurde (ich hatte nicht eine Minute geschlafen), beschloss ich raus an den See zu gehen. Ich aktivierte noch einmal die Kundalini und hatte anschließend genug Energie, um einfach aufzustehen, mich zu waschen und den Tag zu beginnen. Ich fühlte keinerlei Müdigkeit mehr. Es schien die Sonne und es war für die Jahreszeit erfreulich mild.