1. Nacht
Drei Monate waren seit dem letzten Retreat vergangen. Das Ayahuasca war diesmal saurer, als sonst, was mich beim Trinken ein wenig erschaudern ließ. Die Wirkung setzte recht spät ein, dann aber mit der bekannten Wucht. Ich hatte vorher die Bitte an die Pflanze gerichtet, milde mit mir zu sein, da mir immer noch die Erinnerung an die 5. Nacht in den Knochen steckte, in welcher ich in einer Art luzidem Dauertraum stundenlang als Teil eines Computers aberwitzige Aufgaben lösen musste. Ayahuasca hörte auf meine Bitte und ließ Milde walten, indem sie mich früh hat übergeben lassen, was insgesamt die Wirkung aber abschwächte.
Es folgte eine angenehme, von überwiegend kunstvollen Visionen dominierte Nacht, oder genauer gesagt vier Stunden, denn dann war die Wirkung nur noch sehr schwach, eine Folge des frühen Erbrechens. Es reichte aber, um einige Dinge auszuprobieren, die ich bis dahin noch nicht probiert hatte. So lernte ich, durch Gedanken meine Visionen zu beeinflussen. Drängten sich dunkle und bedrückende Visionen in den Vordergrund, dachte ich an Liebe und Frieden und stellte mir liebevolle Momente und ein friedliches Beisammensein der Menschen vor. Augenblicklich wurden selbst tiefschwarze, bedrohliche Gestalten und Formen weiß oder hellblau. Ich übte das mehrere Male und immer funktionierte es quasi auf Knopfdruck. Das war zwar die einzige Lehre, die ich aus der Nacht zog, dennoch eine wichtige, da ich ab jetzt nicht mehr hilfloses Opfer meiner Visionen war.
Ich bin zum Schöpfer und Gestalter meiner Visionen geworden. Ich weiß jetzt, dass die Visionen in unmittelbarem Zusammenhang mit meinen Gedanken und Gefühlen stehen.
Die Ausklangphase war überwiegend schwarz-weiß und ich gönnte mir einen frühen Schlaf.
2. Nacht
Das Ayahuasca kam mir stärker vor, als die Nacht davor. Schon beim Trinken bemerkte ich, dass es ebenso sauer war, aber dickflüssiger. Die Wirkung kam schnell und wie ein Hammerschlag. Sehr kunstvolle Visionen, die ich nun willentlich beeinflussen konnte. Allerdings nicht sehr lange. Zwar blieb die Medizin etwas länger in meinem Magen, als am Abend zuvor, aber als der sich entleerte, ging es mir sehr schlecht. Ich hatte düsterste Visionen während des Reinigungsprozesses, dazu kamen körperliche Auflösungserscheinungen, bizarre Stimmen und Zirpen in meinen Ohren und nicht enden wollende Magenkrämpfe. Ich rettete mich mit einem kalten Waschlappen, der zu meiner Standard-Ausrüstung gehört, rieb mir den Nacken und das Gesicht ab und konnte so die starke, innere Hitze besänftigen. Auch ließ die Übelkeit langsam nach und als ich erkannte, dass das Schlimmste überstanden war, legte ich mich entspannt auf den Rücken und genoss die mittlerweile wieder sehr schönen und kunstvollen Visionen.
Ich spielte mit den Bildern, änderte ihre Farben oder ihr Tempo. Auch auf die Formen konnte ich jetzt Einfluss nehmen. Als ich alles in Gold haben wollte, wurde augenblicklich alles zu Gold, als ich organische Formen wollte, wurde alles weicher und runder und als sich mal wieder einige Spinnen in die Visionen schummelten, verzauberte ich sie in Frösche, Bäume oder Eidechsen.
Ich habe diese Technik beim Klarträumen geübt und stellte nun fest, dass man es auch auf die Ayahuasca-Visionen anwenden kann. Als ich sicher war, dass ich mich nicht mehr übergeben werde und auch sonst nichts drückte oder zwickte, überließ ich mich dem Geist der Pflanze, der mich weit fort trug. Mein Körper löste sich auf.
Ich betrat verschiedene „Räume“, die wie in einer Kunstgalerie jeder völlig unterschiedlich gestaltet waren. Als ich die geschlossenen Augen zur Stirnmitte hin drehte, erkannte ich hinter den Formen und Mustern eine weitere Ebene. Die Formen im Vordergrund lösten sich auf und alles was blieb, war diese 2. Ebene, welche von den bunten Visionen überlagert war und jetzt still und schön vor mir lag. Ein heller, grünlich schimmernder Raum, erfüllt von feinen, quallenartigen Lichtwesen, die sich langsam durch den Raum bewegten.
Dann weitete sich das Blickfeld und links von mir erschien ein wunderschönes Wesen, eine Mischung aus Oktopus und Qualle, smaragd-grün leuchtend und mit einem feinen Muster überzogen. Ich spürte, das es voller Liebe ist und dass es diese Liebe an mich richtet. Dann war ich auf einmal beides, dieses Wesen und ich selbst.
Dann wurde mir klar, dass ich das selbst bin, ich ohne meinen Körper. Es war meine Source, meine Seele!
Als ich das erkannte, spürte ich den Zwang, mich aufzustellen und ich stand wie in Trance auf und wackelte auf meinen beiden Beinen wankend umher. Eine Teilnehmerin stütze meinen Rücken, sonst wäre ich umgefallen. Ich wurde eins mit meiner Seele. Ich fing an alles zu fühlen, was sie fühlt, das komplette Universum schien sie zu verkörpern. Alles im Raum wurde eins und ich wurde alles, inklusive der Holzbalken der Decke. Dann fing alles an stillzustehen, die Visionen, meine Seele, die Zeit, einfach alles und ich verharrte in einem Zustand allergrößten Friedens mit mir selbst, Gott und dem Universum.
Ich musste mich dann hinlegen, das Stehen unter diesen Umständen war anstrengend, zumal ich ja noch recht stark unter dem Einfluss des DMTs stand. Es folgten mehrere Meditationen, in welchen ich immer wieder mit meiner Seele verschmolz, dann folgte ein kurzer Halbschlaf. Unterbrochen wurde der Schlaf durch die sehr heftigen Prozesse anderer Teilnehmer, die ich aufgrund der nachlassenden Wirkung nicht mehr ausblenden konnte. Also hörte ich der Musik des Schamanen zu und erfreute mich an ihr.
Gegen Morgen bin ich dann in eine der Ferienhäuser zum Schlafen gegangen. Beim Einschlafen hatte ich eine lange und immer noch sehr bildreiche Phase. Ich flog über Meere, Städte, lief durch Wälder und sprang in einen See. Dann folgten ca. drei Stunden traumloser, sehr tiefer Schlaf.