Es ergab sich, dass das Wetter auch nachts mild und tagsüber gemäßigt sonnig war und gute Freunde mexikanische Psilos hatten. Also, rauf aufs Rad, ins wunderschöne Brandenburg und die Seen abklappern, bis wir schließlich einen gefunden hatten, wo wir ganz allein waren.
Eine Feuerstelle gab’s auch, dazu klares Wasser und große, alte Buchen und Eichen um uns herum. Wir kamen spät an, die Suche war nicht ganz so einfach, Radwege Mangelware, Google-Maps nicht auf aktuellem Stand. Aber zum Sonnenuntergang schafften wir es dann, die Freunde des Waldes einzunehmen, sie waren in Kakao gegossen. Nicht irgendein Kakao, sondern hochwertiger Kakao aus Guatemala.
Lange brauchten sie, bis sie wirkten, so ganz anders, als beim letzten Mal, aber diesmal hab ich auch die Steppenraute weggelassen, die ja als Beschleuniger und Wirkungsverstärker wirkt.
Dann ging es los, die Energie zog sich langsam, Stück für Stück von den Füßen beginnend durch den Körper. Der Puls fing an Tempo aufzunehmen, typisch für DMT (Psiloyn ist 4-HO-DMT). Es fühlte sich sehr gut an. Vibrationen setzten ein, erst sanft, dann deutlich spürbar. Aus einer kleinen Lautsprecherbox klangen die Icaros des Shipibo-Schamanen Kajuyali Tsamani – für mich einige der schönsten Icaros – pure Magie!
Es wäre so schön geworden, wenn – ja, wenn es nicht genau jetzt angefangen hätte zu regen. Und es regnete stark. Wir waren nicht drauf vorbereitet, die Wettervorhersage hatte erst für Sonntag Nachmittag Regen vorhergesagt. Daher hatten wir keine Zelte dabei, keine Regenjacken, Folien, etc., nichts. Meine Freunde suchten Schutz in ihren Hängematten, die sie mit dünnen Laken bedeckten, ich verließ mich auf meinen regenfesten Schlafsack.
Jetzt lagen wir da, in unsere Hängematten und Schlafsäcke gezwängt, und trippten vor uns hin, ich am stärksten, weil ich eine ganze Dosis genommen hatte. Ich wollte den Vergleich zu den Riegeln vom letzten Mal, deshalb dieselbe Menge (in Gramm).
Böse, fies und gemein, könnte ich diesmal die Kinder des Waldes beschreiben, also sehr ähnlich, wie bei meiner 1. Pilzreise im Februar:
„Ach jetzt hat er Angst naß zu werden!“
„Er denkt, er ist aus Zucker!“
„Wir lieben Regen und er verkriecht sich!“
So ging es die ganze Zeit. Wir Menschen, das machte der Pilz-Spirit klar, sind für ihn keine Wesen, die seinen Respekt verdient haben. So ganz anders, als der Ayahuasca-Spirit, der die Menschen liebt!
Warum haben Pilze eine so schlechte Meinung von Menschen, warum lästern sie nur und sind gehässig? Vielleicht weil sie wesentlich älter sind, als Ayahuasca? Pilze sind die ältesten Lebewesen auf diesem Planeten, sagen einige Wissenschaftler.
Ayahuasca hingegen ist erst ein paar hundert Jahre alt, evt. auch älter, und es wurde vom Menschen erfunden. Es gibt nicht DIE Ayahuasca-Pflanze. Es gibt zwei Pflanzen, die man kombinieren muss, um Ayahuasca zu erhalten. Ayahuasca ist somit eine Schöpfung der Menschheit, Pilze sind es nicht.
Habe ich in dieser Nacht auch etwas von den Pilzen gelernt, außer, dass man sich in ihren Augen lächerlich macht, wenn man nicht nass werden will? Ja, durchaus. Sie sind immerhin so freundlich, einem Fragen zu beantworten, also fragte ich.
Was ist mit meinem linken Arm, warum heilt er nicht?
Weil du ihn durch Überanspruchung ruiniert hast.
Könnt ihr ihn heilen?
Du fügst dir selber Schaden zu und wir sollen ihn wieder reparieren? Es sind Muskelfasern angerissen, dass braucht seine Zeit. Und sie werden nicht wieder zusammenwachsen, wenn du sie weiterhin überanspruchst.
Dann fing mein linker Arm an zu vibrieren, erst die Schulter, dann der ganze Arm.
Woher wisst ihr das mit den Muskelfasern, ich war nie beim Arzt damit?
Weil wir alles wissen über die Menschen. Wir wissen was sie denken, was sie fühlen, was sie wünschen. Wir kennen ihre Stärken und Schwächen, ihre Vergangenheit und ihre möglichen Zukünfte. Sie sind durchsichtig für uns.
Wisst ihr Dinge von mir, die ich nicht weiß?
Diese Frage entpuppte sich gefährlich. Vom Wurzelchakra ausgehend stieg jetzt eine Energie auf, die ich als aggressiv und destruktiv bezeichnen würde, gleichzeitig herrisch und dominant. Es kamen Gedanken und Gefühle auf, die mich erschraken.
Was ist das, fragte ich?
Du wolltest wissen, was in dir steckt, von dem du nichts weißt.
Das bin nicht ich, das ist irgendein Dämon.
Alles bist du, das Gute und das Schlechte, aber du willst nur das Gute für dich akzeptieren, Licht und Liebe. Aber mit Licht und Liebe gehen auch deren Gegensätze einher, Dunkelheit und Zerstörung. Deine Potentiale sind dazu da, dich in jeder denkbaren Situation optimal handeln zu lassen. Wirst du tätlich angegriffen, wirst du mit Licht und Liebe nicht weit kommen, willst du Harmonie, wird dich die Energie der Zerstörung nicht weit bringen. Akzeptiere, dass du alles bist, die gesamte Dualität.
Ich ertrage diese Energie nicht, sie ist grausam.
Deine Ablehnung verstärkt sie. Akzeptiere sie und sie wird sich ins Positive umkehren.
Ich dachte an Gold und meine Visionen wurden zu Gold. Dann betete ich zu Jesus und es kam noch mehr Gold. Irgendwann fing mein Herzchakra an zu vibrieren und die aggressive Energie verschwand.
Ich fing an zu lachen – leise, weil die anderen schon schliefen. Ich lachte leise vor mich hin. Was für eine Situation. Voll mit 4-HO-DMT, eingezwängt in einen viel zu warmen Schlafsack, um sich vor Regen zu schützen, lasse ich mich von den Spirits der Pilze erst verspotten und dann belehren.
Ich beschloss zu schlafen, was nicht funktionierte. Der Unterricht war offenbar noch nicht beendet. Wie bei den letzten beiden Pilzerzeremonien fiel ich immer wieder in sehr reale Träume, um nur wenige Minuten später vom Pilz-Spirit geweckt zu werden und eine Ansage zu bekommen:
„Was löst du da schon wieder für nicht existierende Probleme? Du liegst am See im Wald und es geht dir gut. Alles ist gut, du musst keine Probleme erschaffen, nur um sie dann zu lösen!“
Ich weiß nicht wie viele Träume dieser Art ich hatte, aber es waren auch diesmal viele. Ich beschloss daher einen Rapé zu nehmen, um den Tripp zu beenden. Ich nahm einen Tsunu vom Schamanen und Rapé-Meister Shaneihu Yawanawa und beendete das innere Spektakel unmittelbar. Ich schlief schnell ein und hatte angenehme Träume, ohne sinnbefreite Probleme und deren vermeintliche Lösungen.
Am nächsten Morgen war mein Arm nahezu schmerzfrei, er hatte die ganze Nacht vibriert. Heute schmerzt er um so mehr. Ich musste mein schweres E-Bike zwei lange Treppen hoch tragen. Erst bei der S-Bahn, weil mal wieder kein Fahrstuhl funktionierte (gehört der Deutschen Bahn, wen wundert’s) und dann zuhause, weil das Rad zu groß ist für den Fahrstuhl. Mit diesen beiden Aktionen hab ich genau das getan, wovor der Pilz-Spirit gewarnt hatte. Ich habe den Arm überansprucht und jetzt größere Probleme als vorher.
Ich glaube, im nächsten Leben werde ich Psilo-Pilz. Die Energie dafür hab ich schon.