WILDe Party
Ich wache um 4:30 Uhr auf und nehme einen Rapé. Caneleiro von Katukina, ein scharfer, das Dritte Auge öffnender Rapé. Dann lege ich mich wieder hin, in der Hoffnung noch zwei Stunden Schlaf abzubekommen. Sofort beginnen Hypnagogien. Ich kenne das mit den Hypnagogien nach Rapé zwar, aber ich nehme ihn nie zu dieser Uhrzeit. Ich lasse die Bilder kommen, aber fokussiere sie nicht. Sie sind sehr farbenfroh – Rot, Indigo, Violett, Gelb. Mein Drittes Auge springt abwechselnd auf und zu, hell-dunkel, hell-dunkel. Auch grell leuchtende Lichter sind dabei und eine längere Phase, wo zwei Frauen sich unterhalten. Ich verstehe nur Satzfetzen, aber die Stimmen sind klar und deutlich. Dann stabilisieren sich die Bilder und schwupp, bin ich im Klartraum. Noch nie war WILD so einfach!
Es ist eine Betriebsfeier des Senders für den ich arbeite. Die beiden Frauen kann ich jetzt sehen, es sind Kolleginnen aus der Redaktion. Es ist später Abend, tropisch warm und die Feier findet im Freien statt, an einem Gewässer – keine Ahnung, ob Fluss oder See. Alle sind gut drauf. Es setzen sich bunte Vögel zu mir. Erst ein sehr schöner Blauer, mit schwarzem Kragen und rotem Schnabel, dann welche, die komplett violett sind. Sie sind graziler, als der Blaue, der die Form eines Rotkehlchens hat. Ich schaue auf den Tisch vor mir. Dort sitzen drei Laubfrösche und glotzen mich an. Daneben zwei sehr große, grüne Heuschrecken, sie scheinen aber tot zu sein. Ich verwandle sie in eine türkisgrüne Schmuckschatulle, auf derem Deckel sie als Griff dienen. Die Heuschrecken sind jetzt aus Gold. Ich stelle mir die Schatulle jetzt mit noch mehr Gold vor und sie verwandelt sich in eine kleine, goldverzierte Schatzkiste mit zwei goldenen, nebeneinander sitzenden Heuschrecken drauf.
Dann schummelt sich der Corona-Wahnsinn in den Traum. Eine Kollegin aus der Redaktion niest mehrmals. Der Kollege neben ihr witzelt, sie müsse ihre Bluse ausziehen, die sei jetzt total verkeimt. Die Männer lachen. Ich wende mich an eine Kollegin aus der Technik und sage ihr, „stell dir vor, du stirbst mit 60 und hast dein ganzes Leben für diesen Sender gearbeitet!“ „Boa“, sagt sie, „das wäre schrecklich!“ Ich antworte, „ja, das wär der Horror! Ich würde mich selbst noch im Grab erschießen, nur um ganz sicher zu gehen.“ Wir müssen beide laut lachen. Sie: „Wir müssen leiser lästern, die gucken schon“. Ich antworte, dass das egal ist, sollen sie doch glotzen. Auch ohne das Wissen um den Traum wäre es mir egal gewesen. Seit dessen Corona-Berichterstattung hat der Propagandasender jede Unze Respekt von mir verspielt.
Es folgt eine Szene, die so gar nicht zu diesem Sender passen würde. Einer unser konservativsten Moderatoren steht bis zu den Knien im Wasser und lallt betrunken, mit einer Bierflasche in der Hand, lautstark vor sich hin. Vor ihm zwei Kameras, die alles aufzeichnen. Dann gesellen sich noch andere zu ihm und die Party geht im Wasser weiter.
Ich leere ein Glas kühles Bier, das da auf einmal steht und schaue den bunten Vögeln zu, es werden immer mehr, in allen möglichen Farben. Als der Becher leer ist sehe ich, dass sich eine Wespe darin befand. Ich befreie sie und sie fliegt davon. Es war das erste Mal, dass mir im Klartraum etwas schmeckte, obwohl das Bier schon leicht abgestanden war. Wer weiß, wann die Traumregie mir das da hin gestellt hatte? Dann sehe ich eine Hornisse, riesengroß, wie ein Vogel. Ich beobachte, wie sie in ein Baumloch ein- und ausfliegt, offenbar ihr Nest. Dann verlasse ich mit der Kollegin die Feier. Wir laufen durch einen mit gedimmten Lichtern beleuchteten, tropischen Garten und gelangen in ein historisches Gebäude. Ein ehemaliges Kloster, erklärt mir die Kollegin.
Das Kloster ist ebenfalls dezent beleuchtet. Die Wände sind aus sandgestrahltem Stein, die Fenster mit kleinen Quadraten vergittert. Ich betrete eine der ehemaligen Mönchsunterkünfte. Alles aus Stein, auch das Bett. Über dem Bett kleben drei Fledermäuse an der Wand, dicht aneinander, als würden sie sich gegenseitig wärmen. Sie sind aber nicht schwarz, sondern quietsche-grün, wie die Laubfrösche vorher. Am Ende des Flures ist eine schwarze Holztür. Sie ist verschlossen. Ich nehme Anlauf und springe durch sie hindurch, dabei zerbricht sie in alle Teile.
Meine Kollegin folgt mir und wir sind plötzlich in einer hell beleuchteten Werkshalle. Keine Ahnung, was hier hergestellt wird!? Es gibt auch ein Büro und ein kleines Radio, das einen Popsong spielt. Ich schaue aus dem Fenster. Auf der Wiese vor dem Büro brennt ein rotes Bengalfeuer. Ich drehe das Radio lauter und beginne zu tanzen. Meine Kollegin bekommt Muffensausen. „Das dürfen wir nicht, wir müssen hier wieder verschwinden“. Sie verschwindet, ich bleibe – ich bin in Partystimmung und der Klartraum ist bemerkenswert stabil.
Ich drehe das Radio zu voller Lautstärke auf. Dann sehe ich schwarze Arbeitshandschuhe. Ich fasse sie mit aller Hingabe an, obduziere regelrecht ihre Materialbeschaffenheit, das stabilisiert den Klartraum zusätzlich. Alles wird noch hochaufgelöster, als es eh schon war. Ich ziehe die Handschuhe an und trommle auf allem, was da rumsteht. Eine Werkbank, ein Regal, ein alter Röhrenbildschirm, nichts ist vor mir sicher. Ich will hören, wie alles klingt. Der Bildschirm klingt am besten, fast wie eine Bongo 🙂 Ich singe laut mit und tanze, tanze, tanze – meine Party ist voll im Gange. Draußen brennt unbeirrt das Bengalfeuer und leuchtet den kompletten Garten mit mystisch-rotem Licht aus.
Dann gehe ich in den Toilettenraum. Zwei einsame Pinkelbecken und ein Waschbecken, über dem ein Spiegel hängt. Im Klartraum in den Spiegel schauen, das habe ich schon lange nicht mehr getan. Ich schaue hinein und sehe mich vor 40 Jahren. Ich hatte damals viele Sommersprossen, weil ich ständig im sonnigen Süden war. Ein flaumiger, noch zaghafter Bart wuchert meinem Spiegel-Ich ums Kin. Dann mutiert mein Spiegelbild. Ich durchlebe alle Phasen meines Aussehens, bis zum ca. 50. Lebensjahr. Dann verlasse ich den Waschraum. Mir ist nach noch lauterer Musik, aber das Radio ist am Anschlag. Es spielt immer noch derselbe Song. Up-Tempo, kratzige Frauenstimme und Gitarren, die von einem pulsierenden, synthetischen Beat unterlegt sind. Immer wieder stabilisiere ich, indem ich alles anfasse und haptisch „inhaliere“.
Dann betrete ich einen dunklen Nebenraum, direkt hinter dem Teils des Büroraumes mit den Regalen, wo in Kisten irgendwelches Zeug lagert. In dem Nebenraum steht tatsächlich eine DJ-Anlage. Ich schalte sie über den Hauptschalter an, aber nur der CD-Player bekommt Strom. Ich halte mich damit nicht lange auf, auch der Stabilität wegen – zu langer Fokus auf ein Detail kann einen schnell aus dem Traum werfen. Ich bin jetzt wieder im Hauptraum, tanze, singe und schaue mir das schöne Bengalfeuer auf der Wiese an, das nicht aufhören will zu leuchten. Ein inneres Fest! Dann endet der Song mit einem A-Cappella-Teil. Ich bin glücklich und erschöpft vom Tanzen, schließe die Augen und werde wach.
Rapé um 4 Uhr morgens, das werde ich auf jeden Fall wiederholen. Warum bin ich da nicht schon früher drauf gekommen? Normalerweise nehme ich den abends, aber da habe ich dann kaum Bilder. Der Schlüssel des Erfolges liegt offenbar darin, ihn zum WBTB zu nehmen, zur REM-Phase. Auf jeden Fall hat der Traum gezeigt, dass es die Corona-Faschisten nicht geschafft haben, mir meine Lebensfreude zu nehmen. Und das werden sie auch nicht! Die Götter sind auf meiner Seite